Biohacking für die Immunzellen durch Hormesis
Abhärtung für die Immunzellen gefällig? Mit einem Besuch in der Infrarotsauna, Atemübungen, einem Spaziergang in der Sonne oder Kältetherapie hackt Ihr Eure Immunzellen und härtet sie gegen Infektionen ab.
Biohacking programmiert unseren Körper, wie wir hier bereits berichtet haben. Dabei können wir beispielsweise entweder Leistungssteigerung oder Stressresistenz erreichen. Aber auch die Widerstandsfähigkeit unseres Körpers lässt sich hacken.
So können wir unsere Immunzellen trainieren, um weniger anfällig für Infektionen zu sein. Das klingt in der Haupt-Erkältungszeit doch super, oder nicht?
Das Zauberwort hierfür heißt „Hormesis“. Das bedeutet nichts anderes als „Was Euch nicht umbringt, macht Euch härter!“ So zum Beispiel auch gezielter Stress für den Körper. Jetzt werden viele sagen: Stress?! Aber sonst heißt es doch immer, Stress ist schlecht für unsere Zellen? Und da habt Ihr absolut recht! Dauerhafter psychologischer Stress ist schlecht für unsere Zellen und hemmt deren Autophagieprozess.
Kurzfristiger Stress allerdings, vor allem körperlicher – darauf gehen wir noch genauer ein – regt unsere Zellen zum Arbeiten an. Und diesen biologischen Faktor machen wir uns mit Hormesis zunutze. Die Zauberformel zum Zauberwort ist wie bei vielen Dingen die Dosierung. Man kann sich das ähnlich vorstellen, wie bei Arzneiwirkstoffen: In gewisser Dosis heilen sie Krankheiten, bei Überdosierung können sie aber giftig für uns und unseren Körper sein.
Wie also funktioniert Hormesis?
Nun, unser Körper ist darauf programmiert, sich bei Hitze, Sonne, Kälte und physischer Aktivität abzuhärten. Ganz praktisch, um in früheren Zeiten in der Wildnis zu überleben. Während enorme Hitze oder Kälte dazu führt, dass wir verbrennen oder erfrieren, war es in der Evolution eben ein großer Vorteil, gewisse Schwankungen auszuhalten, beispielsweise heiße Sommer- oder kalte Wintertage. So hat unser Körper gelernt, eine adaptive Antwort einzuleiten, die unseren Zellerneuerungsprozess vorantreibt und uns an Temperaturveränderungen gewöhnt.
Daraus haben Biohacking-SpezialistInnen Techniken abgeleitet, um oxidativen Stress zu reduzieren, die Stimmung zu heben und unsere Immunzellen anzuregen. Und das Beste daran: Ihr könnt diese Techniken einfach zu Hause anwenden.
Ab in die Infrarotsauna
Dass Sonne-Tanken wichtig für unsere Vitamin D-, Serotonin- und Melatonin-Produktion ist und wir damit unsere Immunzellen boosten können, haben wir hier ja bereits berichtet. Aber 20 bis 30 Minuten im Sonnenlicht – und damit meinen wir das gesamte Lichtspektrum des Sonnenlichts – können noch so viel mehr.
Sonnenlicht enthält auch UVA- und Infrarot-Strahlung, die nachweislich unseren Stickstoffmonoxid-Level verbessern und dadurch unser Herz und unsere Blutgefäße schützen. Infrarotlicht ist außerdem eines der entspannendsten und wohltuendsten Lichtspektren, die wir kennen. Um diese Effekte zu nutzen, ohne unsere Haut schädlichen UV-Strahlen auszusetzen, lohnt sich beispielsweise ein Besuch in einer Infrarotsauna.
Infrarotsaunas erzeugen im Gegensatz zu anderen Saunas, die die Luft erhitzen, Hitze im Körper. Der Körper schwitzt daher schon bei wesentlich angenehmeren Temperaturen. Außerdem stärken sie bei nur 30 bis 40 Minuten Nutzungsdauer unsere protektive Stickstoffmonoxid-Produktion, heben unsere Stimmung, verbessern unsere Schlafqualität und regen unsere Zellen zur Autophagie an.
Studie berichtet positive Effekte
Eine Studie, die 2016 in JAMA Psychiatry veröffentlicht wurde, zeigte, dass die regelmäßige Nutzung einer Infrarotsauna bei maßvollen Temperaturen durch die erhöhte Körpertemperatur sogar die mentale Gesundheit von Menschen mit leichten bis mittelschweren Depressionen ohne Medikation positiv beeinflussen konnte. Besonders erstaunlich: Es half bereits ein einziger Besuch einer Infrarot-Sauna und das innerhalb einer Woche – und der Effekt hielt über eine Dauer von sechs Wochen an!
Aufgrund dieser Studie ist ihr Autor, Dr. Charles Raison überzeugt, dass eine Erhöhung der Körpertemperatur und die Erwärmung der Haut dazu beitragen können, die gestörte Kommunikation der Neuronen zu korrigieren, die mit einer Depression einhergehen. Zudem hat die wohlige Wärme einen ähnlichen Effekt wie eine Umarmung, indem sie die Serotonin- und Oxytocinwerte ganz natürlich erhöht.
Ein weiterer Vorteil der Infrarot-Therapie ist die verbesserte Schlafqualität. Auch sie trägt dazu bei, unsere körperliche und mentale Belastbarkeit zu steigern und unser Immunsystem zu optimieren.
Aber auch die klassische Sauna ist ein verlässlicher Partner, wenn es darum geht seine Immunabwehr zu stärken, wie man inzwischen nicht nur in Finnland weiß.
So stimulieren Saunabesuche ähnlich einem Fieber unsere Hitzeschockproteine (HSP) und Antioxidantien und unterstützen unser Immunsystem dabei, Viren zu bekämpfen und die Wahrscheinlichkeit von Krankheiten zu senken. Hitzeschockproteine sind für unsere Resilienz generell von großer Bedeutung. Die gute Nachricht: Wir müssen nicht unbedingt eine Infrarot-Kabine oder Sauna besuchen, um von ihnen zu profitieren. Denn unser Körper erzeugt sie auch, wenn wir uns äußeren Stressfaktoren aussetzen. Und zu diesen zählt auch jede Form von sportlicher Aktivität.
Aber eine Erhöhung der Körpertemperatur ist nicht die einzige Technik, mit der wir dank Hormesis die Widerstandskraft von Körper und Geist stärken können. Es geht auch anders. Ganz anders.
Die Kraft, die aus der Kälte kommt
Kältetherapie oder auch Kryotherapie war bereits in der Antike bekannt und gehört zu den ältesten Therapieformen der Menschheit. Sie wurde seit jeher bei etlichen Krankheiten zur Behandlung eingesetzt. Heute wird sie am häufigsten in den Bereichen der Dermatologie, Traumatologie und bei chronischen Krankheiten angewandt.
Ihre hormetische Wirkung zeigt die Kältetherapie, indem sie die Vermehrung von Antioxidantien in unseren Zellen unterstützt, unsere Immunabwehr stärkt, unsere Insulin-Sensitivität verbessert und Abnehmen fördert. Im Sportbereich wird sie gerne als Mittel gegen Schmerzen und Muskelermüdung eingesetzt, auch weil sie direkt nach dem Training die Proliferation der Mitochondrien und den Verlust von Trainingseffekten reduziert.
Da uns sowohl Hitze als auch Kälte nachgewiesenermaßen guttun, ist es kein Wunder, dass ihre Kombination in Form einer Hitze-Kälte-Therapie eine tolle Synergie ist, da die starken Schwankungen der Körpertemperatur besonders viele Hitzeschockproteine aktivieren. Die bekannteste Form der Hitze-Kälte-Therapie ist sicher, sich nach einem Saunagang durch ein kaltes Bad in einem Tauchbecken oder eine eiskalte Dusche stark abzukühlen. Viele Studien haben gezeigt, dass diese Kombination besser gegen Entzündungen im Gewebe wirkt als Hitze oder Kälte alleine.
Der Wechsel zwischen Hitze und Kälte hat zudem den angenehmen Nebeneffekt, dass wir unsere Toleranz gegenüber besonders hohen oder niedrigen Temperaturen mit jedem Zyklus erhöhen und so stärker von hermetischen Effekten profitieren. Aber bitte macht nicht den Fehler und setzte Euch jetzt mit einem guten Buch für ein paar Stunden in ein Eisbad! Denn nur weil Kälte gut ist, heißt das noch lange nicht, dass ein besonders langer Aufenthalt in großer Kälte (und das noch dazu ohne anschließendes Aufwärmen in einer Sauna oder in einem heißen Bad) besser ist. Im Gegenteil: Sich über einen langen Zeitraum großer Kälte auszusetzen, hat vor allem eine Wirkung: eine Erhöhung der Wahrscheinlichkeit einer Infektion der Atemwege.
Hormesis liegt in der Luft
Auch im Bereich der Atemübungen gibt es Techniken, um Eure Belastbarkeit zu verbessern und Heilungsprozesse zu stimulieren oder zu beschleunigen. Neu ist das nicht. So wurde in früheren Jahrhunderten in Indien beim Yoga den Paranyama genannten Methoden der Atemkontrolle weit mehr Bedeutung beigemessen als den auf Dehnung und Kraftaufbau ausgerichteten Übungen (Asanas), die sich heute weltweit so großer Beliebtheit erfreuen. Denn im alten Indien ging man davon aus, dass die Lebensenergie („Prana“ bzw. „Chi“ in der TCM) in der Atemluft am konzentriertesten vorhanden ist.
Manche dieser Atemtechniken sind auf Achtsamkeit und bewussteres Atmen ausgerichtet. Sie sind besonders geeignet, um die eigene Konzentration zu steigern und sich zu beruhigen. Andere setzen wieder auf Hyperventilation, stärken das Nervensystem oder unterstützen den Körper in Stresssituationen durch eine erhöhte Energiezufuhr.
Und auch Übungen, die auf eine temporäre Atemreduktion setzen, gibt es. Sie gelten ebenfalls als eine Form der Hormesis, da sie die Lunge stärken und hier wohl dosiert oxidativen Stress abbauen und die Antioxidantienwerte der Atemwege erhöhen.
Abschließend sei erwähnt, dass sich die meisten Atemübungen gut mit Hitze- oder Kältetherapie-Techniken kombinieren lassen. So belebt Hyperventilationsatmung gepaart mit Kälteeinwirkung morgens Eure Sinne wohl mehr als jeder Kaffee.
Den eigenen Weg finden
Es ist nicht wichtig, alle hier genannten Techniken in den eigenen Alltag zu integrieren. Aber es zahlt sich aus, sie einmal auszuprobieren und herauszufinden, was für Euch den gewünschten Effekt hat. Denn der größte Vorteil von Bio-Hacking und Hormesis ist, dass für jede und jeden etwas dabei ist.