Fasten für die Seele
Die Fastenzeit ist fast vorbei und zum Abschluss wollen wir noch ein letztes Kapitel aufschlagen: die Auswirkungen von Fasten auf unsere Psyche. Denn Fasten unterstützt nicht nur unseren Körper und unsere Zellen, sondern auch unsere psychische Verfassung.
Wie sich Fasten auf den Körper und die Fitness auswirkt, beziehungsweise was genau während des Fastens in unserem Körper passiert, haben wir bereits thematisiert. Heute wollen wir uns etwas genauer ansehen, wie sich Fasten auf unseren Geist und unsere Seele auswirkt. Denn auch hier zeigen sich nicht zu verachtende Auswirkungen.
Wie wirkt sich Fasten auf unsere Psyche aus?
Ganz allgemein lässt sich sagen, dass Fasten zu intensivem seelischem Erleben führt und eine bereichernde Selbsterfahrung sein kann. Man wird sensibler für Eindrücke und Gedanken und die Konzentrationsfähigkeit steigt. Durch das bewusste Essen und Nicht-Essen beim Intervallfasten können Fastende außerdem eine ganz neue Genussfähigkeit erleben.
Das räumt auch die Deutsche Gesellschaft für Ernährung (DGE) in einer Stellungnahme zum Fasten ein. Sie bestätigt positive Wirkungen in Bezug auf psychischen Veränderungen. So soll laut DGE Fasten Gefühle erhöhter Aufmerksamkeit bringen, die Konzentrationsfähigkeit steigern und allgemein für ein gesteigertes Wohlbefinden sorgen.
Gründe hierfür sind wohl, dass wir uns beim Fasten bewusst aus dem Alltag nehmen und das eigene Lebenstempo reduzieren, was auch zum direkten Abbau von Stress führt. Viele nutzen diese Zeit der Besinnung auch, um zu reflektieren und zu entscheiden, welche Schritte notwendig sind, um glücklicher, entspannter und gesünder zu leben. Denn in dieser Zeit der Reduktion fällt das Bemerken und Erhören eigener Körpersignale schlichtweg leichter.
Soweit zur praktischen Erfahrung des Fastens. Die Auswirkungen des Fastens auf unsere Psyche lassen sich aber auch wissenschaftlich erklären und belegen. Ihr wollt wissen, wie beziehungsweise wo die positiven Auswirkungen entstehen? Die Antwort: Im Gehirn!
Wie wirkt Fasten auf unser Gehirn?
Unser Gehirn ist als zentrales Nervensystem drauf ausgelegt, Reize zu verarbeiten und für eine entsprechende Aktivierung oder Reaktion zu sorgen. Wenn sich beispielsweise unsere Energiereserven dem Ende neigen, löst unser Körper ein Hungergefühl als Reaktion aus, damit wir wieder Nahrung zu uns nehmen.
Kann ein Reiz nun aber nicht durch eine geeignete Reaktion beseitigt werden, so wird aus der Erregung eine unspezifische Aktivierung, die auch die für emotionale Reaktionen wie Stress und Angst verantwortliche limbische Hirnregionen erreicht. Das Ergebnis: Wir finden keine Ruhe! Und diese Reizüberlastung kommt in unseren hektischen Zeiten leider zu oft vor.
Was also tun?
Der Prozess der unspezifischen Aktivierung muss aufgehalten werden. Leider lässt sich dieser aber nur anhalten, indem entweder eine geeignete Verhaltensreaktion gefunden und aktiviert wird, die den Unruheherd abstellt, durch künstliches Hemmen der Erregungsübertragung, wie beispielsweise durch Beruhigungsmittel, oder durch die Stimulation eines global wirksamen Transmittersystems – dazu zählen die vermehrte Zufuhr von Kohlenhydraten oder Fett und – und damit sind wir beim Kern angelangt – das Fasten.
Wie das funktioniert?
Nun, ein besonders effektiv wirkendes Transmittersystem ist das serotonerge System. Seine im Mittelhirn lokalisierten Nervenzellen ziehen sich wie ein riesiger Baum in alle Hirnbereiche, wo ihre Enden – die sogenannten serotonergen Präsynapsen – regelmäßig ihren Botenstoff, den Neurotransmitter Serotonin, ausschütten.
Das Serotonin, das drei bis fünf Mal pro Sekunde den ganzen Tag über ausgeschüttet wird, beeinflusst die Erregbarkeit aller nachgeschalteten Nervenzellen. Damit übt das serotonerge System einen ständigen und überall wirkenden “Harmonisierungseffekt” auf die im zentralen Nervensystem ablaufenden Informationsprozesse aus.
Fasten ist die einzig bekannte Möglichkeit, die Aktivität des serotonergen Systems langfristig zu verstärken. Denn durch die Nahrungskarenz kommt es zu einer gesteigerten Serotoninsynthese und -freisetzung durch die serotonergen Präsynapsen. Was soll das im Konkreten heißen? Durch den Nahrungsentzug wird mehr Serotonin freigesetzt, was Erregungszustände unspezifischer Aktivierungen wie Stress und Angst reduziert.
Eva Lischka, Ärztin an der Buchinger Wilhelmi Klinik, beschreibt es so: „Das Fasten wirkt positiv auf den Serotonin-Stoffwechsel. Das Lebensgefühl nach dem Fasten ist unvergleichlich besser als vorher.“
Weitere positive Effekte
Ein weiterer Grund für die positiven Effekte des Fastens ist, dass dieses zu einer langfristigen Bedürfnisbefriedigung führt. Es wirkt auf den präfrontalen Kortex – jenes Hirnareal, das die zukunftsorientierte Verhaltenskontrolle übernimmt. Im Gegensatz zum mesolimbische System, das bei schneller Befriedigung wie einem Stück Schokolade nur kurzfristig Dopamin ausschüttet, belohnt uns der präfrontale Kortex langfristig und unterdrückt zusätzlich die neuronale Aktivität in den tiefer gelegenen Strukturen des Belohnungssystems, wie Oliver Gruber, Professor für Experimentelle Psychopathologie und Bildgebung, weiß. Die Folge: Wir geben dem Impuls nicht nach, sondern verfolgen das langfristige Ziel und diese Selbstkontrolle macht uns glücklich, wie eine Studie aus dem Jahr 2013 belegt.
Ein weiterer, positiver Effekt des Fastens tritt nach einigen Tagen auf: Die Nahrungsrestriktion vermindert die Anzahl von Serotonintransportern in den Nervenenden der serotonergen Neuronen – der Nervenzellen im Gehirn. Diese Serotonintransporter ermöglichen den Transport des Neurotransmitters Serotonin in die Zellen.
Aufgrund der verringerten Dichte an Serotonintransporter wird die Wiederaufnahme des freigesetzten Serotonins permanent vermindert. Die erhöhte Konzentration und die längere Verweildauer von Serotonin im extrazellulären Raum führt dazu, dass der Neurotransmitter länger und weitreichender mit den nachgeschalteten Zellen interagieren kann. Die gesteigerte Serotoninsynthese und -freisetzung erhöht diesen Effekt zusätzlich.
Wie sich Kulturen die positiven Effekte des Fastens seit langem zunutze machen:
Ja, Fasten nimmt weitreichenden Einfluss auf uns, unsere Psyche und unsere Gehirnzellen. Die Effekte sind nicht nur beeindruckend, sondern auch altbekannt. Nicht ohne Grund ist das Fasten seit Jahrhunderten in vielen Kulturen und Religionen tief verankert. So beispielsweise in den Traditionen der vorösterlichen Fastenperiode oder dem muslimischen Ramadan. Aber auch medizinische Schulen greifen seit langem auf Fasten zu Heilzwecken zurück. Schon zur Zeit des Hippokrates, im vierten Jahrhundert vor Christus, begannen die Menschen, das Fasten zur Therapie körperlicher und geistiger Erkrankungen einzusetzen. Und was sich so lange bewährt hat, muss doch gut sein, finden wir.